Strafbefehl ist rechtskräftig?
Was bedeutet Rechtskraft?
Was unter Rechtskraft zu verstehen ist, beschreibt dieser alte römische Rechtsgrundsatz ganz gut: Contra rem iudicatam non audietur – gegen eine entschiedende Sache wird man nicht gehört. Richterliche Entscheidungen sollen ab einem bestimmten Zeitpunkt unanfechtbar sein, um Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herzustellen. Eine richterliche Entscheidung ist immer dann rechtskräftig, wenn kein Rechtsmittel zur Verfügung steht, um die Entscheidung anzufechten. Gegen ein Strafurteil des Amtsgerichts stehen die Rechtsmittel Berufung und Revision zur Verfügung. Ist die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels abgelaufen, wird das Strafurteil rechtskräftig – es ist endgültig.
Wann wird der Strafbefehl rechtskräftig?
Um einen Strafbefehl anzugreifen gibt es nur ein einziges Rechtsmittel – den Einspruch. Wird der Einspruch nicht innerhalb der 2-Wochen-Frist eingelegt, steht der Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleich, nachzulesen in §410 Abs. 3 StPO. Nach Ablauf der Einspruchsfrist ist der Strafbefehl somit rechtskräftig, da er mit keinem Rechtsmittel angefochten werden kann. Auch die Rechtsmittel Berufung oder Revision sind ausgeschlossen.
Welche Folgen hat ein rechtskräftiger Strafbefehl?
In der Mehrheit aller Fälle wird der Betroffene durch den Strafbefehl zu einer Geldstrafe verurteilt. Diese Geldstrafe muss nun bezahlt werden, daran führt (fast) kein Weg vorbei. Wer die Geldstrafe nicht aufbringen kann, muss ins Gefängnis und die Ersatzfreiheitsstrafe absitzen, geregelt ist die Ersatzfreiheitsstrafe in §43 StGB. Etwa 7% aller Gefängnisinsassen sind aufgrund nicht gezahlter Geldstrafen eingesperrt. Ein Tagessatz entspricht einem Tag hinter Gittern, wer also zu 60 Tagessätzen verurteilt wurde, muss seine Freiheit für 60 Tage eintauschen. Die Ersatzfreiheitsstrafe kann aber zu jeder Zeit durch Zahlung abgewendet werden. In solchen Fällen bietet es sich an, frühzeitig mit der Staatsanwaltschaft eine Ratenzahlung zu vereinbaren. Im Einzelfall lässt sich die Geldstrafe auch durch Arbeitsleistung ersetzen.
Die letzte Möglichkeit um die Strafe abzuwenden oder aufzuschieben, ist ein Gnadengesuch, welches bei einem Berliner Strafbefehl an die Senatsverwaltung für Justiz zu richten ist. Die Hürden für ein erfolgreiches Gnadengesuch sind in der Praxis recht hoch, es müssen schon bedeutende Gründe vorliegen, z.B. wenn sich der Betroffene um kranke Familienangehörige kümmern muss und eine anderweitige Betreuung nicht sichergestellt werden kann.
Keine Regel ohne Ausnahme
Die Rechtskraft des Strafbefehls, also die endgültige Unanfechtbarkeit, kann unter bestimmten Voraussetzungen durchbrochen werden:
Die 2-Wochen-Frist für den Einspruch beginnt nach dessen Zustellung. Diese Frist kann naturgemäß nur dann laufen, wenn tatsächlich zugestellt wurde. Hier kommt es nicht selten zu Zustellfehlern. Dem BGH zufolge ist ein Schriftstück erst dann als zugestellt anzusehen, wenn der Adressat Gelegenheit hatte, davon Kenntnis zu nehmen (BGH NJW 78, 1858). Wer aber umgezogen ist, das kommt in Berlin häufiger vor als anderswo, der Strafbefehl aber noch an die alte Meldeanschrift adressiert war, kann keine Kenntnis vom Strafbefehl nehmen. Insofern läuft auch die Einspruchsfrist (noch) nicht.
Hat eine wirksame Zustellung stattgefunden, besteht noch die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Wer die Einspruchsfrist unverschuldet versäumt hat, weil er zum Beispiel im Krankenhaus lag, dem wird auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, der Einspruch kann dann nachgeholt werden. Der Wiedereinsetzungsantrag ist selbst fristgebunden und bedarf einer ausführlichen Begründung. Es empfiehlt sich dringend, einen Strafverteidiger mit dem Wiedereinsetzungsantrag zu betrauen.
Die letzte Möglichkeit um gegen den rechtskräftigen Strafbefehl vorzugehen, besteht in einem Wiederaufnahmeverfahren gemäß §359 StPO. Ziel der Wiederaufnahme ist es, ein bereits abgeschlossenes Strafverfahren neu aufzurollen, um so Justizirrtümer zu beseitigen. Damit steht das Interesse an einer richtigen und gerechten Entscheidung im Vordergrund, die Rechtskraft des Strafbefehls tritt dahinter zurück. Der häufigste Fall ist die Beibringung von neuen Tatsachen und Beweismitteln. Es müssen also solche Tatsachen und Beweismittel vorgetragen werden, die im Strafbefehlsverfahren noch keine Berücksichtigung gefunden haben, z.B. ein neuer Zeuge oder das Geständnis eines Dritten.
Sie sehen sich mit einem rechtskräftigen Strafbefehl konfrontiert? Die Hürden, um gegen einen rechtskräftigen Strafbefehl vorzugehen, sind in der Praxis sehr hoch! Als Strafverteidiger helfe ich gerne bei der Bewertung Ihrer Erfolgsaussichten.